- serienjunkies
- News
- Redaktion
Stand:
Von: Bjarne Bock
Kommentare
„Who Is Erin Carter?“, ist eine berechtigte Frage, denn die neue Netflix-Serie mit Evin Ahmad läuft bislang noch ziemlich unter dem Radar. Lohnt sich der neue Thriller vom früheren „Strike Back“-Showrunner Jack Lothian?
Spoilerwarnung - diese Meldung kann Hinweise auf die Fortführung der Handlung enthalten!
Um nicht auch Eure Zeit zu verschwenden, so wie es die Serie leider bei uns getan hat, kommen wir direkt zur Antwort auf die Frage: Nein, es lohnt sich nicht. Denn das britisch-spanische Netflix-Original Who Is Erin Carter? ist eine Aneinanderreihung müder Genreklischees. Das Drehbuch wirkt, als wäre es im Halbschlaf geschrieben worden. Keine der Figuren verhält sich so, wie es ein normaler Menschen im echten Leben tun würde. Und das zentrale Mysterium rund um die Titelfigur, verkörpert von Schnelles Geld-Star Evin Ahmad, könnte kaum weniger spannend aufgebaut werden.
Wer nach diesem (hoffentlich nicht allzu vorschnellen) Kurzurteil trotzdem noch an Erin Carter interessiert ist, sollte zunächst noch einige Details zum Inhalt und zu den Leuten erfahren, die an der Entstehung der 7-teiligen Auftaktstaffel beteiligt waren, welche man seit Donnerstag, den 24. August beim Streamer abrufen kann. Hauptverantwortlich für die Serie ist der britische TV-Autor Jack Lothian (Strike Back, Doc Martin). Left Bank Pictures fungiert als Produktionsstudio.
Neben der schwedischen Schauspielerin Ahmad als geheimnisvolle Geschichtslehrerin ebenfalls im Ensemble: Sean Teale (The Gifted) als Jordi, Douglas Henshall (Shetland) als Daniel Long, Charlotte Vega (Warrior Nun) als Penelope, Jake Fairbrother (The Man Who Fell to Earth) als Bruno, Pep Ambros („Cites“) als Emilio, Youngster Indica Watson als Harper sowie Susannah Fielding (This Time With Alan Partridge) als Olivia.
Worum geht's?
Die Geschichte dreht sich um besagte Erin Carter (Ahmad), eine britische Single-Mutter und Lehrerin, die schon seit ein paar Jahren mit ihrer Tochter Harper (Watson) in Barcelona lebt. Harper leidet unter einem Sehfehler, der es nötig macht, dass sie eine dicke Brille tragen muss, für die sie leider oft gemobbt wird. Doch das junge Mädchen ist niemand, der gerne einsteckt, sondern teilt viel lieber aus - eine Charaktereigenschaft, die sie von ihrer auf den ersten Blick eher friedlich erscheinenden Mutter geerbt hat, wie wir bald erfahren.
Dummerweise sorgen Harpers Gewaltausbrüche gegen Mitschüler:innen dafür, dass Erin ständig neue Schulen suchen muss, die ihren temperamentvollen Sprössling noch aufnehmen würden. Erin selbst unterrichtet an einer internationalen Einrichtung, was daran liegen könnte, dass sie trotz ihres langen Auslandsaufenthaltes offenbar noch keine Zeit hatte, Spanisch zu lernen. Dabei hat sie sogar einen einheimischen Partner: den lieben Krankenpfleger Jordi (Teale).
Während eines Supermarktbesuches bricht Erins Scheinidentität eines Tages zusammen: Ein Einbrecher bedroht sie und ihre Tochter Harper, sodass die Protagonistin Fähigkeiten durchblicken lässt, die sie eigentlich verstecken wollte. So unmuskulös diese Frau auch erscheinen mag: Sie entpuppt sich als superstarke Kampfsportlerin mit tödlicher Absicht. Vielleicht hätte uns dieser Twist mehr umgehauen, wenn die Serie etwas geduldiger mit ihm umgegangen wäre.
Mehr noch als das holprige Pacing sorgt das neue Netflix-Original allerdings mit den Interaktionen seiner Figuren für Verwunderung. Nachdem Erin vermeintlich den traumatischsten Tag ihres Lebens hinter sich gebracht hat, verhält sich nämlich niemand so, wie man es erwarten würde. Erins Chefin Olivia (Fielding) sieht in dem Vorfall eine tolle PR-Gelegenheit, während Erins Nemesis Penelope (Vega) regelrecht neidisch zu sein scheint auf ihr Nahtoderlebnis.
Am vielleicht verstörendsten ist jedoch das Verhalten von Jordi, der uns eigentlich als einfühlsamer Kerl vorgestellt wird: Erst hält er es für angemessen, Erin mutterseelenallein ins Patientenzimmer ihres Angreifers zu lassen; und später denkt er sich: Was diese Frau nach so einem Tag jetzt sicher braucht, ist „some good old sexy time“.
Über die Tatsache, dass ausgerechnet Erins Nachbar und Freund Emilio (Ambròs) damit beauftragt wird, den tödlichen Kampf zu untersuchen, könnte man sich auch noch ärgern. Von Befangenheit in Ermittlungen scheint das Autorenteam noch nichts gehört zu haben. Aber wenn sie ihre Arbeit so halbherzig angegangen sind, wie es die Auftaktepisode vermuten lässt, dann bringt es sowieso nichts, sich noch weiter aufzuregen...
Wie ist es?
„Who Is Erin Carter?“ ist einfach keine gute Serie. Vor allem das Skript hat große Schwächen, wobei man sogar sagen könnte, dass schon die Prämisse selbst eher schwach ist. Ein unscheinbarer Familienmensch, der oder die es faustdick hinter den Ohren hat, bietet Spannung bis zur großen Enthüllung. Wenn man es klug ausspielt, kann man auch die Gefahren des Auffliegens dezent ausreizen (so wie bei Breaking Bad). Der neue Netflix-Thriller schafft aber beides nicht.
Wie gesagt: Vor allem die Figuren sind ziemlich schlecht geschrieben, wobei etwa die Hauptdarstellerin Evin Ahmad oder auch eine Susannah Fielding noch das Beste aus dem dünnen Material rauszuholen versuchen. Erschütternd ist übrigens auch die mangelnde Subtilität bei der Musikauswahl (ähnlich cringe wie bei „Captain Marvel“ der Einsatz von „Just a Girl“). Alles in allem: 1,5 von 5 Erin Carters für diesen übersehenswerten Neustart.
Hier abschließend der Trailer zur Serie: